Zuckerman v Zuckerberg: Recht auf Facebook-Plugins eingeklagt

Ein Plugin soll Facebook-Usern Kontrolle über Newsfeed und Daten bringen. Doch Meta droht gerne mit Klage und Rauswurf. Ethan Zuckerman dreht den Spieß um.​

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Im Vordergrund ein Paragraphen-Symbol, im Hintergrund der Facebook-Schriftzug

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)

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Facebook-Nutzer sollen Browser-Plugins einsetzen dürfen, um ihre Daten zu spenden oder ihren Newsfeed zu bereinigen. Diesen Anspruch erhebt eine Feststellungsklage gegen Facebook-Betreiber Meta Platforms in den USA – unter Berufung auf eine bislang weniger beachtete Norm der berühmten Section 230. Der Kläger, Ethan Zuckerman, möchte ein Browser-Plugin namens Unfollow Everything 2.0 veröffentlichen, befürchtet aber, dafür von Meta juristisch verfolgt zu werden. Denn genau das hat Meta 2021 dem Briten Louis Barclay für dessen Plug-in Unfollow Everything angedroht, woraufhin dieser sein Werkzeug zurückziehen musste.

Im selben Jahr hat Facebook Laura Edelson und Damon McCoy, Forscher der New York University, rausgeschmissen. Sie erforschten mithilfe eines Browser-Plugins Desinformation auf Facebook; das Plug-in sammelte bei freiwilligen Facebook-Nutzern anonymisierte Daten über die ihnen vorgesetzte Werbung. Im Jahr davor ging Meta gegen den Browser Friendly vor: Friendlys "Sünde" war, Nutzern zu erlauben, ihren Facebook-Newsfeed chronologisch zu sortieren, darin nach Stichworten zu suchen, und die Darstellung von Facebook-Seiten zu optimieren.

Also geht Ethan Zuckerman gegen den von Mark Zuckerberg geleiteten Konzern Meta Platforms in die Offensive – mit Unterstützung des Knight First Amendment Institute, einer Organisation, die sich für die Redefreiheit einsetzt. Anstatt verklagt zu werden und sich dann verteidigen zu müssen, klagt Zuckerman auf Feststellung, dass sein Projekt von Rechts wegen geschützt ist: Durch Section 230, alternativ durch andere gesetzliche Bestimmungen. Der Mann ist nicht nur dafür bekannt, vor einem Vierteljahrhundert die bald verhassten Popup-Werbungen erfunden zu haben (wofür sich zu entschuldigen er nicht müde wird) und das Geekcorps gegründet zu haben, er ist auch Kommunikationsforscher und Professor an der Universität von Massachusetts Amherst.

Zuckerman hat Barclays Plug-in Unfollow Everything nachprogrammiert. Es löst ein Usability-Problem: Facebook macht es User nämlich schwer, den laufenden Datenstrom von Facebook-Freunden, -Gruppen oder -Seiten abzubestellen (unfollow), der den Newsfeed befüllt. Es braucht mehrere Klicks, um eine solche Datenquelle stillzulegen. Wer einen sauberen oder gar weitgehend leeren Newsfeed haben möchte, muss jeden Facebook-Freund, jede Facebook-Gruppe, jede Facebook-Seite, die er einmal abonniert hat, einzeln abbestellen. Eine Heidenarbeit.

Barclays Plug-in Unfollow Everything und nun Zuckermans Unfollow Everything 2.0 würde erlauben, mehrere oder alle abonnierte Facebook-Freunde, -Gruppen, und -Seiten auf einmal abzubestellen. Die Verbindung an sich würde nicht getrennt, der Austausch über direkte, persönliche Mitteilungen wären also nicht betroffen. Zusätzlich würde Unfollow Everything 2.0 Nutzern erlauben, ein wissenschaftliches Forschungsprojekt Zuckermans zu unterstützen. Nutzer könnten freiwillig anonymisierte Daten über ihre Facebook-Nutzung spenden und Fragen beantworten. Der Wissenschaftler möchte eruieren, wie sich ein sauberer Newsfeed auf das Wohlbefinden der Nutzer auswirkt.

Zentrales juristisches Argument Zuckermans ist eine Bestimmung aus Section 230 (eigentlich Section 9 of Title V of the Telecommunications Act of 1996). Diese ist vor allem dafür bekannt, in Absatz c Ziffer 1 Webseitenbetreibern Immunität für Inhalte, die sie nicht selbst bereitstellen, zu gewähren (mit gewissen Ausnahmen). Absatz c Ziffer 2 Litera A gewährt jedoch weitere, zivilrechtliche Immunität: Bereitsteller interaktiver Computerdienste haften demnach nicht, wenn sie freiwillig und in gutem Glauben Zugriff auf oder Verfügbarkeit von Material beschränken, dass aus Sicht des Bereitstellers oder des Nutzer obszön, unanständig, lasziv, schmutzig, überschießend gewalttätig, belästigend oder anstößig ist.

Zuckerman führt aus, mit Bereitstellung des Browser-Plugins zum Bereitsteller eines interaktiven Computerdienstes zu werden. Und das Plug-in würde Nutzern ermöglichen, von ihnen gebenenfalls als anstößig erachtete Inhalte (nämlich den Newsfeed) zu vermeiden.

Dazu kann er noch auf Absatz b Ziffer 3 verweisen, der festhält, dass es Grundregel der Vereinigten Staaten von Amerika ist, zur Entwicklung von Techniken anzuregen, die die Nutzerkontrolle darüber maximieren, welche Informationen online bezogen werden ("to encourage the development of technologies which maximize user control over what information is received"). Genau diese Nutzerkontrolle, die Meta ein Dorn im Auge ist, möchte Zuckerman fördern. Das angerufene US-Bundesbezirksgericht soll nun feststellen, dass Section 230 Schutz vor Metas Klagen wegen Unfollow Everything 2.0 gewährt.

Für den Fall, dass dieses Argument nicht in der vollen Bandbreite greift, beantragt Zuckerman die Feststellung, dass sein Plug-in weder gegen den Facebook-Nutzungsvertrag, noch gegen Bundescomputerstrafrecht (Computer Fraud and Abuse Act) noch gegen kalifornisches Computerstrafrecht (Computer Data Access and Fraud Act) verstößt. Grundsätzlich möchte er, dass das Gericht Meta untersagt, ihn wegen Unfollow Everything 2.0 zu verklagen.

Öffentlich verfügbar ist das Plug-in bislang nicht, eben weil Zuckerman sich das rechtliche Risiko nicht leisten kann. Nur wenn er den Prozess gewinnt, möchte er Unfollow Everything 2.0 lancieren. Das Verfahren heißt Ethan Zuckerman v Meta Platforms und ist am US-Bundesbezirksgericht für das nördliche Kalifornien unter dem Az. 3:24-cv-02596 anhängig. Eine Replik des Datenkonzerns an das Gericht steht noch aus. Gegenüber heise online hat Meta jeden Kommentar abgelehnt.

(ds)